Felsengrotte im Haus vor der Brügge
Mühlenecho > Verborgen im Untergrund
Horst Becker
Horst Becker vor dem Haus
Haus vor der Brügge
Das Haus vor der Brügge
Grotte
Ein Blick in die Grotte
Grotte
In der Grotte
Grotte
Der kleine See
Grotte
Fahrweg
Der gepflasterte Weg
Fahrweg
Zum Auftakt der neuen Mühlenecho-Serie möchte ich Ihnen von der Felsengrotte im Haus vor der Brügge berichten.
Zunächst aber einiges Wissenswertes über das markante Haus vor der Brügge:
Das historische Sandsteingebäude ist das letzte Haus in Rönsahl am Ortsausgang Rönsahl in Richtung Kierspe, auf der linken Seite der B 237 gelegen.
Dieses herrschaftliche Gebäude machte lange Jahre einen sehr heruntergekommen Eindruck, weil der damalige Besitzer es verwahrlosen ließ. Darum hieß das Haus im Volksmund nur noch „Villa Bröckelstein“. Nichts war mehr zu spüren von dem einstigen Wohlstand, den die Erbauer dieses großen Steinhauses haben mussten. Das änderte sich glücklicherweise, als im Jahre 1992 das Haus von dem damaligen Ortsvorsteher (heute Ortsbürgermeister) und Bauunternehmer Horst Becker erworben wurde. Er sarnierte das Gebäude nach neuesten Möglichkeiten und verwandelte den ehemaligen Schandfleck in ein nach modernsten Kriterien , z. B. mit Wärmepumpentechnologie, ausgebauten Mehrfamilienhaus.
Zur Geschichte dieses Hauses konnte der Heimatforscher Josef Moddemann (1995 verstorben) einiges herausfinden:
Die Bezeichnung „Vor der Brügge“ taucht erstmals im Jahre 1713 in einem Steuerbuch auf. Der Name Vor der Brügge leitet sich ab von der Lage des Hauses vor der Brücke über den aus dem Haarhauser Tal kommenden Wienbach. Befahrbare Steinbrücken waren damals noch eher selten. In diesem Fall war die steinerne Brücke, die es ermöglichte, trockenen Fusses nach Bürhausen und weiter nach Kierspe zu kommen, namensgebend.
Moddemann fand heraus, dass es im Jahr 1705 einen Jacob zur Brüggen gab, der einen nicht unerheblichen Grundbesitz hatte. Schon im ersten Kirchenbuch Rönsahls tauchen ab 1666 Personen mit dem Namen „Brügger“ oder „zur Brüggen“ auf, die alle den Status hatten, wohlhabend zu sein. In der Gemeindeliste von Pfarrer Walther aus dem Jahre 1835 ist als Besitzer des Hauses der damals 40jährige Friedrich Asbeck aufgeführt. Seine Frau Friederica war eine geborene Brüggen. Demnach hat Asbeck eingeheiratet. Zu dessen Haushalt gehörten sechs Kinder, die Schwiegermutter Witwe Christian Brüggen, zwei Knechte, drei Mägde und ein Hirte. In einem Adressbuch wird Friedrich Asbeck als Gastwirt und Bierbrauer genannt. Um 1885 – 90 wurde in einem solchen Verzeichnis Robert Asbeck aufgeführt als Hotel- Brauerei- und Gutsbesitzer. Moddemann schreibt zur Geschichte des Anwesens, dass das alte Besitztum vor der Brügge rechts der Straße nach Bürhausen lag. Dort stand das Wohnhaus und daran ein Anbau, in dem damals Bier gebraut wurde. Allerdings brannte das Gebäude komplett ab.
Bis in die 1970er Jahre gab es ein sehr baufälliges Stallgebäude auf dem Gelände des ursprünglichen Hofes auf der rechten Seite der Bundesstraße, welches abgerissen wurde. Noch heute zeugt eine stattliche Baumgruppe auf einem unebenen Gelände vom ehemaligen Standort. Laut Aussage von Horst Becker wurde das neue Gebäude am jetzigen bekannten Standort nach dem Brand des alten Wohnhauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite errichtet. Später wurde der hintere Teil angebaut.
Die Geschichte der jetzigen und auch der abgegangen Gebäude Vor der Brügge ist eng mit dem Bierbrauen verbunden. Darauf weisen schon die alten Flurnamen hin. So soll es die Bezeichnungen „Brauhaus - am Brauhaus - hinterm Brauhaus“ gegeben haben. Laut Horst Becker wurde das Flurstück des jetzigen Gebäudes mit der alten Flurbezeichnung „Hinter der hinteren Brauerei“ benannt. Also kann man sogar von zeitweise zwei bestehenden Brauereien ausgehen. Sicher hat aber der Felsenkeller unter dem Haus vor der Brügge schon vor dem Bau des Hauses bestanden. Er wurde nämlich als Bierlagerkeller genutzt. Vermutlich wurde er sogar zu diesem Zweck in den Felsen getrieben. So wie Horst Becker berichtet, hat die bekannte Kipper-Brauerei in Remscheid ihren Ursprung in der Felsengrotte. Der vorher in Oberheukelbach wirkende Braumeister Kipper hatte hier einige Jahre lang Bier gebraut, bevor er nach Remscheid zog und hier die später sehr bekannt gewordene Brauerei Kipper gründete. Die Kipper-Brauerei bestand bis zum Jahre 1993.
In Rönsahl betätigten sich , so wie wahrscheinlich schon Jacob zur Brüggen, auch die nachfolgenden Besitzer des Hauses Vor der Brügge als Bierbrauer. Der vorgenannte Friedrich Asbeck und später sein Sohn Robert setzten die Tradition fort. Es lag nahe, das Bier in der angegliederten Gastwirtschaft auszuschenken. Im Hausanbau befand sich der Festsaal der Gaststätte. Dass hier schon fröhlich gefeiert wurde, belegt eine alte Aufzeichnung von Jugenderinnerungen von Olga Marie Buchholz, geboren im Jahre 1842 und Ehefrau von Eugen Buchholz in Krommenohl. Sie war eine geborene Heuser aus Gummersbach und schrieb von Ausflügen, welche sie mit jungen Leuten ihres Freundeskreises nach Rönsahl machten und wie man sich „auf Asbecks neu gebautem Saal außer Atem tanzte“.
Später hatte das Haus eine wechselvolle Geschichte. So diente es nach dem zweiten Weltkrieg für mehrere Flüchtlingsfamilien als erste Unterkunft. Der Dorfarzt Dr. Große-Dresselhaus hatte hier seine erste Praxis.
Nun zur Grotte:
Wer schonmal das Vergnügen hatte, diesen Teil von Rönsahls Unterwelt betreten zu dürfen, wird sich an die feuchte, kühle Luft erinnern, die einem entgegenschlägt. Stellenweise fallen Wassertropfen von der Decke. Scheinwerferlicht zaubert ein Spiel von Licht und Schatten.
Hell erleuchtete Bereiche wechseln mit im dunkel liegenden Ecken und Winkel. Auf der linken Seite taucht ein kleiner, mystisch beleuchteter See auf: ein Felsenbrunnen mit kristallklarem Wasser. Herabfallende Wassertropfen zaubern Kreise auf die Wasseroberfläche. Das leise Plitsch der auf dem Wasser aufschlagenden Tropfen sorgen für eine leicht gruselige Geräuschkulisse. Für zartbesaitete Gemüter ein unheimlicher Ort, sogar das Gespenst fehlt nicht ;-) .
In die Grotte gelangt man durch den Keller des an das Haupthaus angebauten Gebäudes. Dahinter erhebt sich der Hang des Höhenzuges Passlöh, in dessen Hangfuß das Gebäude hineingebaut worden war.
Wie bereits erwähnt, wird die Grotte schon vor dem Bau der Gebäude dagewesen sein. Ob sie damals schon diese Größe hatte, ist ungewiss. Möglicherweise gab es mehrere Ausbauphasen. Der jetzige Stand zeigt eine etwa 22 m lange Höhle. An der breitesten Stelle weitet sie sich auf über 5 m und Stehhöhe ist überall gegeben. Gut ausgebaut mit Kopfsteinplaster ist eine Fahrspur, auf der man mit Wagen hineinfahren konnte. Gemauerte Sockel und Nischen waren Standorte für Bierfässer und
Bottiche . Das saubere Wasser des Brunnens wird ein hervorragendes Brauwasser ergeben haben. Eine konstant bleibende Temperatur von etwa 10 Grad war für die Lagerung des Bieres und dessen Reifeprozess optimal. Möglicherweise hat man dort auch andere wärmeempfindliche Güter aufbewahrt, überliefert ist die Nutzung als Eiskeller und Weinlager. Ein Verwandter der Pulverfamilie Buchholz in Krommenohl mit Namen Crass betrieb in dem Haus vor der Brügge eine Weinhandlung. Immer schon wurde im Nebenerwerb Landwirtschaft betrieben. Während eine Familie mit Namen Wördehoff in dem Haus vor der Brügge wohnte, diente die Felsengrotte zur kühlen Lagerung der Milchkannen. Im Zweiten Weltkrieg funktionierte man die Kellerräume und Grotte zum Luftschutzkeller um, in der nicht nur
Rönsahler Schulkinder bei Luftangriffen Zuflucht fanden. An den Wänden am Höhleneingang kann man immer noch erkennen, wo eine Splitterschutzwand eingemauert war.
Nach Jahrhunderten der Nutzung ist es in den letzten Jahrzehnten still geworden in der Grotte. Mehrere Lampen und Scheinwerfer beleuchten Brunnen, Gang und Nischen für die wenigen Besucher, die von Horst Becker hineingeführt werden. Erwähnenswert ist aber noch der Besuch eines Fernsehteams vom WDR im Jahre 1995, die eine Reportage für die Sendung „Fenster für Südwestfalen“, eine Vorläufersendung der jetzigen „Lokalzeit“ drehten.
Bergbaurelikt oder Tor zur Unterwelt?
Die Grotte hat noch eine weitere Geschichte: In ihr wurde Bergbau betrieben. Der bereits erwähnte Besitzer des Hauses Vor der Brügge Robert Asbeck war nicht nur Bierbrauer und Gastwirt, sondern auch Schatzsucher. Er träumte wohl vom großen Geld, welches ihm damals sehr fehlte. Erste, allerdings erfolglose Schürfversuche hatte er bereits in den 1870er Jahren nahe Haarhausen unternommen, wo er zwei Bergwerksfelder mutete ( Mutung = Antrag an die Bergbaubehörde auf Erteilung eines Abbaurechts, also die Genehmigung zum Bergbau auf einem Grubenfeld). Nun, um das Jahr 1902, wagte er einen neuen Anlauf: Im rechten Teil des Brauhauskellers ließ er einen Schacht in den Felsen graben. Für diese Arbeit beschäftigte er zwei italienische Arbeiter, die anlässlich des Talsperrenbaus nach Deutschland gekommen waren. Sie trieben einen 9 m tiefen Schacht in den Boden um abbauwürdige Erzadern aufzuschließen. Robert Asbeck soll, um selbst die Fundstelle begutachten zu können, sich so in dem Schacht festgeklemmt haben, dass er fast nicht mehr herausgekommen sei. Da sich zwar ein geringes Blei- und Kupfervorkommen fand, dies aber nicht abbauwürdig war, suchte Asbeck nun im benachbarten Felsenkeller weiter. Am Ende der Grotte kann man heute noch einen kurzen Vortrieb erkennen.
Asbeck ging das Geld aus und Not macht bekanntlich erfinderisch. So kam es, dass Asbeck auf der Suche nach neuen Geldgebern in Form von Mitgewerken sich selbst ein Telegramm sandte, in dem von dem Fund eines mächtigen, abbauwürdigen Kupferganges berichtet wurde. Dieses Telegramm verlor Asbeck angeblich absichtlich vor der Kirche nach dem sonntäglichen Kirchgang. Zunächst verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer und man gratulierte Asbeck zu dem Fund. Schon bald aber flog der Schwindel auf und Asbeck musste seine Bergbautätigkeiten aufgeben.
Willi Binczyk schreibt in dem Buch „Kierspe – Beiträge zur Heimat- und Landeskunde“, dass von dem Schacht ein waagerecht in den Fels getriebener Stollen abging, der 11 m lang sein sollte. Der Schacht wurde später abgedeckt.
Laut Aussage von Horst Becker war der Bereich über dem Schacht mit einer Mauer verschlossen. Diese Mauer hatte vor einigen Jahren Horst Becker entfernt und den nun mit Wasser vollgelaufenen Schacht wiederentdeckt.
Regina Marcus, im Februar 2014
Quellen: Informationen von Horst Becker
Zeitungsberichte in der MZ
Aufzeichnungen von Josef Moddemann+
Wikipedia (Kipper-Brauerei)
Buch: Kierspe – Beiträge zur Heimat- und Landeskunde, herausgegeben vom Heimatbund Märkischer Kreis, 1990, ab Seite 67 im Kapitel „Der Erzbergbau“ von Willi Binczyk